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Deliveroo, Uber & Co.: Warum die On-Demand-Economy Ausbeutung ist

Mai 21, 2018

Die On-Demand-Economy macht möglich, dass alles jederzeit verfügbar oder zumindest in kurzer Zeit bestellbar ist – sei es das Mittagessen vom Lieblingsladen, eine Reinigungskraft nach der Party oder ein Logoentwurf. Diese Bequemlichkeit geht jedoch zu Lasten der Dienstleister und verändert darüber hinaus unser gesellschaftliches Zusammenleben fundamental. In dieser Folge beleuchten wir die Perspektive derjenigen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen und die Perspektive von jenen, die die Dienstleistungen erbringen. Außerdem geben wir in der Zugabe Tipps, wie ihr die Schäden der On-Demand-Economy begrenzen könnt und offenbaren die ersten Ergebnisse unserer HörerInnen-Umfrage.

Die On-Demand-Economy

Im Grunde kann man das Prinzip der On-Demand-Economy (Dienstleistung auf Abruf) folgendermaßen zusammenfassen: Menschen ohne Zeit, aber mit Geld, lassen Menschen mit Zeit, aber ohne Geld, Tätigkeiten für sich erledigen. Der Markt dieser Dienstleistungen wächst rasant und schon heute sind Tausende derart beschäftigt – die meisten davon im Niedriglohnsektor: besonders schlecht organisiert und leicht austauschbar.

Bald werden allerdings nicht mehr nur die Essenslieferanten, Putzkräfte und Wäscheservices von Zuhause aus abrufbar sein, sondern auch höher qualifizierte Menschen wie Ärzte, Anwälte und Grafiker. Wir könnten uns in einigen Jahren alle auf Seite der geklickten Dienstleister wieder finden.


Dieser Artikel bietet nur eine Zusammenfassung. Die vollständigen Argumente hörst du in der Podcast-Folge: hier im Player oder direkt auf Spotify, iTunes, Google Podcast, Deezer und Stitcher.


Perspektive 1: Diejenigen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen

Man kann immer gute Gründe finden, sich Dinge liefern zu lassen, anstatt sie selbst in der Stadt zu besorgen: Sie sind im Netz billiger, nur wenige Läden führen sie überhaupt im Sortiment oder man hat schlicht keine Zeit, die Besorgung zu machen.

Leider merken wir nicht, was all diese kleinen Kaufentscheidungen mit uns und unserer Gesellschaft machen. Mittlerweile haben viele von uns so viele Tätigkeiten ausgelagert, dass unser Alltag verändert ein anderer geworden ist. Vor einiger Zeit hätte ein Samstag noch so aussehen können: Wäsche waschen, in der Stadt neue Schuhe besorgen, Lebensmittel einkaufen, die Wohnung putzen, sich etwas kochen und ins Kino gehen. Heute holt Zipjet morgens meine dreckige Wäsche, dann bestelle ich neue Schuhe bei Zalando und Lebensmittel bei Amazon Fresh, eine Putzkraft von Helpling kommt vorbei, mein Abendessen bringt mir Deliveroo und ich gucke eine Netflix-Serie.

Dass man durch die Auslagerung von Alltagstätigkeiten mehr Zeit hat, um “sinnvollere” Dinge zu tun, ist dabei oft ein Trugschluss, denn wenn wir ehrlich sind: shoppen kostet auch online viel Zeit. Mit dem Fokus aufs Internet mutieren wir zu Stubenhockern und richten uns in einer neuen Häuslichkeit ein. Die Gesellschaft spielte sich jedoch vor allem auf den Straßen ab. Dort kommt man mit Menschen auch außerhalb seines eigenen direkten Umfelds in Kontakt. Damit geht ein Stück politisches Leben verloren.

Je mehr wir online bestellen, desto mehr werden wir zu Stubenhockern. #OnDemandEconomy #Deliveroo #AmazonFresh Klick um zu Tweeten

Zudem bilden sich immer stärker zwei Klassen aus: Die Klasse, der gedient wird und die Klasse, die dient. Eine gesellschaftliche Ständeordnung, wie sie früher üblich war, kommt zurück. Im Unterschied zum Adel früher kennen wir unsere “Diener” jedoch noch nicht einmal persönlich. Wir beauftragen sie über die Benutzeroberfläche einer Online-Plattform und bauen keine soziale empathische Verbindung mit ihnen auf.

Perspektive 2: Diejenigen, die Dienstleistungen ausführen

Für Arbeitnehmer mit bestimmten Anforderungen an ihre Arbeit kann die On-Demand-Economy Vorteile bieten: wegen der Flexibilität für Freigeister und hochmobile sowie wegen der geringen Einstiegshürde für geringqualifizierte Menschen.

Für die allermeisten bedeutet die On-Demand-Economy allerdings Nachteile und teilweise sogar Ausbeutung. Der Klassiker sind ungelernte Fahrradkuriere. Bei Deliveroo oder Foodora arbeiten mittlerweile deutschlandweit tausende von Menschen, liefern Essen von Restaurants nach Hause – und werden dabei ausgebeutet. Sie sind meistens selbstständig oder geringfügig beschäftigt und müssen viele Arbeitsmittel privat stellen: u.a. das eigene Fahrrad und ein Smartphone mit ordentlich Datenvolumen, um die Aufträge zu empfangen. Bei Deliveroo werden sie mit 5-6 Euro für jede Lieferung bezahlt, bei anderen erhalten sie immerhin einen Stundenlohn. Der Bereitschaftsdienst ohne Aufträge, die Anreise sowie Urlaub, Versicherung und Rente müssen jedoch privat finanziert werden. Gleichzeitig werden die Fahrer rund um die Uhr mit GPS verfolgt, es wird ausgewertet wie schnell sie arbeiten und sie werden mit ihren Kollegen verglichen. Der Arbeitnehmerschutz ist schlecht, vor allem bei Deliveroo. Nachdem Angestellte einen Betriebsrat gegründet hatten, wurden viele Verträge nicht mehr verlängert.

Noch arbeiten fast ausschließlich Ungebildete auf Abruf per Klick. Das wird sich ändern. #OnDemandEconomy Klick um zu Tweeten

Der hohe Wettbewerbsdruck, schlechter Arbeitnehmerschutz und niedrige Bezahlung treffen jedoch nicht nur Geringqualifizierte. Auch in anderen Branchen greifen die gleichen Mechanismen der On-Demand-Economy. Zum Beispiel bei Grafikdesignern, die über Plattformen wie Fiverr ihre Dienstleistungen anbieten. Dort kämpfen sie gegen andere Designern um Aufträge und verdienen oftmals nur wenige Dollar für eine anspruchsvolle Leistung. In Zukunft könnten auch Hochqualifizierte wie Marketingspezialisten, Ärzte oder Rechtsanwälte auf Knopfdruck buchbar sein.

Zugabe: Was jeder und jede von uns tun kann, um die Schäden der On-Demand-Economy zu begrenzen

 

1. Verzichtet auf Dienste, die ausbeuten.

Bestellt eure Bücher zum Beispiel wieder im Einzelhandel. Dort werden sie auch meistens über Nacht geliefert. Verwendet die genossenschaftlich organisierte und fair bezahlende Amazon-Alternative Fairmondo und wenn ihr euch schon Lebensmittel liefern lasst, dann von REWE anstatt Amazon Fresh.

#Fairmondo statt Amazon, REWE statt Amazon Fresh und Lieferando statt Deliveroo. #OnDemandEconomy Klick um zu Tweeten

2. Vermeidet Bestellungen zu bestimmten Zeiten

Bestellt nicht wenn die Nachfrage gerade am höchsten ist und darum der Druck auf die Dienstleister besonders hoch ist. Nutzt zum Beispiel Amazon nicht für das Besorgen der Weihnachtsgeschenke. Nutzt keine Prime-Lieferungen über Nacht, wenn ihr die bestellten Dinge nicht unbedingt innerhalb von 24 Stunden braucht. Und bestellt das Essen nicht online, wenn das Wetter draußen so stürmisch, regnerisch oder kalt ist, dass ihr selbst auch nicht Fahrrad fahren würdet.

3. Fastet die On-Demand-Economy

Nehmt euch mal vor, einen Monat darauf zu verzichten, Dinge und Dienste im Internet zu bestellen. Tut damit nicht nur etwas Gutes für die Menschen, die dort arbeiten, sondern beobachtet auch mal, was das mit euch macht. Wie abhängig seid ihr schon? Wie gut könnt ihr noch darauf verzichten?

4. Gebt fettes Trinkgeld

Wenn ihr schon etwas bestellen müsst, weil es anders nicht geht, dann gebt euren “Dienern” zumindest ein ordentliches Trinkgeld. Das bessert den ansonsten niedrigen Lohn auf.

 

Show Notes

  • 01:57

    Das Phänomen: Was ist die On-Demand-Economy?

  • 08:47

    Perspektive 1: Diejenigen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen

  • 21:00

    Perspektive 2: Diejenigen, die Dienstleistungen ausführen

  • 36:26

    Das Zwischenfazit

  • 39:52

    Zugabe: Was jeder und jede von uns tun kann

  • 46:38

    Rückmeldung: Erste Einsicht in die große Umfrage

Die große Umfrage

In Folge 13 haben wir Euch um Eure Unterstützung gebeten. Noch bis zum 28. Mai könnt Ihr uns helfen (Falls die Fragen fehlerhaft angezeigt werden, dann einfach auf diesen Link klicken. Er bringt Euch zu einer mobil-optimierten Seite).

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