Warum ist die Schule eigentlich so, wie sie ist? Bereitet sie junge Menschen auf das Leben vor? Wie könnte das Schulsystem den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern? Diese und weitere Fragen haben wir uns in Y Politik-Folge 33 gestellt. Für die Antworten reisen wir gedanklich in die Zukunft und erleben einen perfekten Schultag im Jahr 2029.
Dieser Artikel bietet nur eine Zusammenfassung. Die vollständigen Argumente hörst du in der Podcast-Folge: hier im Player oder direkt auf Spotify, Apple Podcast, Google Podcast, Audio Now, Deezer und Stitcher.
Das Problem mit dem aktuellen Schulsystem
Unser heutiges Schulsystem ist mittlerweile schon gut zwei Jahrhunderte alt und wirklich viel verändert hat sich nicht. Anstatt Kreidetafeln gibt es in manchen Klassenzimmern mittlerweile Smart Boards und Gruppenarbeit ist kein Fremdwort mehr, aber die Strukturen und Prozesse sind noch die gleichen wie vor hundert Jahren. Die Welt drumherum hat sich jedoch radikal verändert. Drei schwere Fehler sieht Vincent in unserem Schulsystem.
Schule geht nicht auf den einzelnen Menschen ein
Das aktuelle Schulsystem ist vergleichbar mit einer Fabrik, in der jeder Lernende mit seiner „Produkt-Kohorte“ sortiert nach Geburtsdatum mit 20 bis 30 anderen aufs Fließband kommt und die Schullaufbahn durchläuft. Dabei gehört es mittlerweile zum Allgemeinwissen, dass man in großen Gruppen schlechter lernt und zentrale Prüfungen nur Standardwissen abfragen. Es herrscht Konformität. Anstatt die Entwicklung eines individuellen Profils zu fördern, wird die natürliche Neugier erstickt.
Schaut euch das Video von Professor Ken Robinson an, das Vincent in der Folge bespricht:
Schule erzieht uns zu Egoisten
Die Schule bewertet und belohnt mit guten Noten diejenigen, die eine individuell hohe Leistung erzielen. Warum eigentlich? Den Rest unseres Lebens arbeiten wir in Gruppen und bei jedem Bewerbungsgespräch für einen Job lobt man sich für seine Teamfähigkeit, nur in der Schule hat diese Fähigkeit wenig Bedeutung. Der Lernerfolg, die Leistung und der Fortschritt einer Gruppe ist nicht viel wert – dadurch wird jedeR zum Einzelkämpfer erzogen.
Schule spaltet die Gesellschaft
Vielerorts gibt es noch das dreigliedrige Schulsystem, das wie kaum etwas anderes junge Menschen vorselektiert und damit ihre Zukunft bestimmt. Schon in der ersten PISA-Studie 2001 wurde Deutschland eine der schlechtesten Chancengerechtigkeit im Bildungssystem bescheinigt. Auch heute noch gibt es wenig Durchlässigkeit.
Vielleicht ist aber auch grundsätzlich die Trennung in akademisch und nicht-akademisch nicht mehr zeitgemäß, wenn man feststellt, dass mittlerweile 30 Prozent aller über 34-Jährigen in Deutschland einen Studienabschluss und über die Hälfte der Anfang 20-Jährigen Abitur haben.
Wir müssen die #Schule radikal neu denken. Klick um zu Tweeten
Ein Schultag im Jahr 2029
Es gibt auch im Jahr 2019 schon Schulen, die neuere Ansätze verfolgen wie beispielsweise, die Montessori-Schulen mit dem Ansatz “Hilf mir, es selbst zu tun” oder Waldorf-Schule mit dem Leitgedanken “Denken, fühlen, wollen”. Darum soll es in der Folge aber nicht gehen. Wir wollen wirklich einmal neu und ohne Grenzen denken.
Unsere Schule beginnt mit der ersten Stunde um 9 Uhr und nicht mehr um 7:45/8:00 Uhr. Das letzteres zu früh wäre, weiß die Wissenschaft schon seit Jahren. Du begrüßt deine Freundinnen und Freunde, die du seit neun Jahren kennst, denn ein System, das aussortiert, gibt es nicht mehr. Alle lernen gemeinsam und das in Klassengrößen mit maximal 19 MitschülerInnen, weil man in kleineren Gruppen erwiesenermaßen besser lernt.
Die erste Stunde und es ist Gesellschaftskunde angesagt. Die Lehrerin gibt 15 Minuten Input zur Weimarer Republik. Anschließend habt ihr 60 Minuten Zeit, um selbst zu recherchieren, warum es die Demokratie nicht gepackt hat. Bis zur nächsten Stunde bereitet ihr dann eine kleine Präsentation vor mit den Lehren für die heutige Demokratie. #Transferleistung
Es ist jetzt 12 Uhr und du hast eine Stunde Pause. Du loggst dich in die digitale Lernumgebung ein. Darin siehst du zentral in deinem Dashboard: Deinen Projektplan, Erinnerung für die Hausaufgaben und passende Youtube-Videos zu letzten Stunde, das Quiz der Woche, eine Einladung des Schulpsychologen für kommende Woche und deine Entwicklungsmatrix. #EntwicklungStattNoten
Um 13 Uhr ist Sitzung der Schülerzeitungsredaktion. Du bist für den Podcast zuständig. Ihr loggt euch in die digitale Lernumgebung ein und öffnet den Rechenschaftsbericht der Schulleitung. Ihr wollt eine Podcast-Folge produzieren zur nahenden Abstimmung: In drei Wochen dürfen die SchülerInnen nämlich wieder darüber abstimmen, wie ein Teil des Jahresbudget der Schule eingesetzt werden soll: neuer Sportplatz oder neue Kletterspinne? Wie in einer Demokratie üblich, sollten jene, die abstimmen, auch die Argumente kennen. Deswegen tragt ihr diese jetzt zusammen und produziert eine Folge. #Medienkompetenz #gelebteDemokratie
Es ist 17 Uhr. Dein digitales Portal hat dich daran erinnert, dass du jetzt Basketball hast. Dieser Sport wird vom lokalen Basketballverein angeboten – in Zusammenarbeit mit der Schule. #Gesundheit
Um 19 Uhr hast du gegessen und checkst deine Nachrichten: deine Mentorin, eine Schulexterne mit Lebenserfahrung jenseits des Schulkosmos, will sich kommende Woche mit dir treffen. Du sagst zu. #FürDasLebenLernen
Dann klappst du deinen Computer zu und machst, was du willst.
Hast du Lust auf so einen Schultag?
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Hallo ihr beiden,
zunächst vorausgeschickt: Ich höre euch wahnsinnig gerne. Und regelmäßig. Seit langem. Aber die letzte Folge war echt daneben. Ich bin Jahrgang 1983, seit 2009 im Schuldienst (bayerisches Gymnasium) und sehe genau das Problem, das am Beginn der Aufzeichnung angesprochen wird… Jeder war ja mal auf einer Schule. Jeder kann was darüber sagen. Ist aber nicht immer sinnvoll.
Ich selbst komme aus einer Arbeiterfamilie, ich weiß sehr genau, wie sich Diskriminierung und Widerstand anfühlen. Aber es hat sich viel verändert. Bloß wisst ihr das nicht. Woher auch? Ihr seid raus aus der Schule. Dass es Probleme gibt, ist unbestritten. Jedoch: Es gibt Möglichkeiten diese zu umgehen.
Ja, es muss sich noch viel verändern. Wissensinhalte und Auswendiglernen ist nicht mehr das Thema, es geht um anderes in der Schule. Aber die Aussage, dass in der Erwachsenenbildung die Didaktik eh viel besser sei, ist echt absurd. Und ich ärgere mich. Ich arbeite zu Peak-Zeiten 70 Wochenstunden, bin verheiratet und habe zwei Kinder. Nicht eure Lebenswelt, aber ich bin Überzeugungstäter. Weil politisch links arbeite ich zudem sehr viel zuhause mit. Das Arbeitspensum ist enorm. Aber es ist definitiv mein Anspruch (im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten) innovativen Unterricht zu machen. Ich finde es nur sehr abwertend, wenn abgesprochen wird, dass alles was wir da machen falsch ist.
PS: Ich würde mich links-liberal bezeichnen, bin Mitglied bei den Grünen. Wie man sich da in Bayern zurechtfindet beim Kultusministerium, muss ich nicht erklären.
Trotzdem wart ihr diesmal zu einseitig.
Viele Grüße
Timo Mozart