Politische Talkshows und Podiumsdiskussionen gehören zur öffentlichen Meinungsbildung in unserer Demokratie. Doch wie hilfreich sind eigentlich Formate, in denen immer die gleichen Politiker/innen mit ihren vorhersehbaren Positionen streiten und “das Volk” dabei zuguckt? Den demokratischen Austausch fördert das nicht. In Folge 25 stellen wir euch daher bessere Formate vor. Die bieten nicht nur mehr Beteiligung für alle, sondern sind auch einfach umzusetzen. Auf was ihr dabei achten müsst und warum auch zweier Gespräche mehr bringen als Polit-Talkshows erfahrt ihr im zweiten Teil der Folge.
Das Problem mit politischen Talkshows: Immer die gleichen Themen, Titel und Personen
Die vier bekanntesten deutschen Talkshows sind Anne Will, Sandra Maischberger, “Hart aber Fair” und Maybrit Illner. Diesen wurde 2018 vorgeworfen immer nur das Thema Flüchtlinge und Migration zu behandeln. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates behauptete sogar, dass ARD und ZDF mit ihrer einseitigen Themensetzung die AfD bundestagsfähig gemacht hätten. Er forderte ein Jahr Sendepause für Talkshows.
Daraufhin untersuchten Journalist/innen den Vorwurf. Ihre Analyse zeigte zwar, dass Flüchtlinge und Migration im Jahr 2018 kein Dauerthema waren und auch keine besseren Einschaltquoten brachten. Doch 2015 und 2016 hatten Flüchtlinge tatsächlich Hochkonjunktur. Fast jede vierte Talkshow-Runde befasste sich mit dem Thema.
Weiteres Problem: Das Framing der Titel. Zwar werden die Titel der Sendungen als scheinbar offene Fragen formuliert, geben aber bestimmte Zusammenhänge bereits vor. Eine Talkshow unter dem Titel “Wie problematisch ist Merkels Flüchtlingspolitik” gibt bereits vor, dass die Flüchtlingspolitik problematisch ist. “Wie gefährlich ist der Islam” bringt die beiden Konzepte von Gefahr und Islam nicht nur sprachlich in einen Zusammenhang, sondern für unser Gehirn auch bald in einen real möglichen.
Immer die gleichen Leute dürfen sich auf den Bühnen der Politik-Talkshows präsentieren. Wolfgang Bosbach und Sarah Wagenknecht waren lange Zeit Dauergäste. Für die Talkshow-Redaktionen sind solche Personen eine sichere Bank: es ist sicher, welche Meinung sie vertreten werden und dass sie auch gerne mal kontroverse Sätze raushauen. Im letzte Jahr hat sich zumindest in dieser Hinsicht etwas getan. Niemand war 2018 so oft in Talkshows eingeladen wie der Grünen-Chef Robert Habeck.
Lösung 1: Ähnliches Format, bessere Umsetzung und Beteiligung
Anstatt Polit-Talkshows und Podiumsdiskussionen abzuschaffen, würde es auch schon helfen, ein paar Elemente zu verbessern. Beispielsweise die Anzahl der Gäste auf maximal 3 zu beschränken, sodass jeder und jede Zeit hat, seine Positionen auszuführen. Eine nicht nur charmante, sondern vor allem harte Moderation ist ebenfalls ein Schlüssel für erkenntnisreiche Podiumsdiskussionen. Ladet doch mal öfter Expert/innen oder Betroffene ein und weniger Politiker/innen. Und vielleicht das Wichtigste: Mehr Publikumsbeteiligung und das nicht nur bei den obligatorischen letzten 10 Minuten Fragen-und-Antworten-Teil.
Alternativen zur klassischen Podiumsdiskussion/Talkshow bieten diese Formate:
- Impuls & Prüfung
Eine These im TED-Talk-Format vorstellen lassen und anhand dessen fokussiert über diesen konkreten Vorschlag diskutieren.
- Townhalls
Der Fokus liegt auf einem Gast, der eine Publikumsfrage nach der anderen beantworten muss und dadurch gezwungen ist, direkt und konkret zu antworten (wie z.B. hier: “Klartext, Frau Merkel”).
- Fishbowls
Es gibt einen inneren Kreis, in dem diskutiert wird, und einen äußeren Kreis, der zuhört und von dem Teilnehmer/innen in den inneren Kreis in die Diskussion wechseln können, um aktiv daran teilzunehmen.
- World Cafés
Jeweils ein Gast pro Tisch stellt sein Thema, eine These oder eine Frage vor und diskutiert mit Teilnehmer/innen aus dem Publikum, die alle 10-20 Minuten die Tische wechseln. Dies erlaubt einen direkten Austausch auf Augenhöhe.
Lösung 2: Mehr direkter Dialog statt Massendiskussionen
Warum müssen politische Diskussionen eigentlich meistens auf einer Bühne stattfinden? Viele neue Formate fördern stärker den direkten Austausch von zwei Personen. Die eigenen Klischees und Komfortzonen zu verlassen, fördert den argumentativen Streit in einer Demokratie mehr als das Kommentieren vom Spielfeldrand. Drei Beispiele und Mitmach-Aktionen für Dialogformate:
- Deutschland Spricht
Bei “Deutschland spricht” von DIE ZEIT treffen sich jeweils zwei Menschen, um politisch zu diskutieren. Ein Algorithmus bestimmt politisch möglichst andersdenkende Menschen, die nah beieinander wohnen.
- Diskutier mit mir
“Diskutier mit mir” bringt ebenfalls politisch verschieden tickende Menschen zusammen – jedoch auf einer digitalen Plattform. Für den Gesprächsstart beginnt jeder Chat mit einer These, zu der man Stellung bezieht.
- Tür-zu-Tür
Tür-zu-Tür ist ein beliebtes Wahlkampf-Instrument, aber auch für Zivilgesellschaft und Wissenschaft geeignet. Man klopft bzw. klingelt an Türen und spricht mit den Bewohner/innen über eine bevorstehende Wahl oder ein Anliegen. Es eignet sich jedoch auch hervorragend dafür, um herauszufinden, was Menschen in einem bestimmten Stadtteil bewegt. Ein Beispiel hierfür ist die Studie “Rückkehr zu den politisch Verlassenen”, für die an 5.000 Türen geklopft wurde (Vincent war an dieser beruflich beteiligt).