37 min

Wie wir unsere Parteien zukunftsfähig machen

Oktober 22, 2018

Immer weniger Menschen sind Mitglied in einer Partei. Dabei sind diese das Fundament unserer parlamentarischen Demokratie und das wichtigste Scharnier zwischen der Bevölkerung und dem Staat. Damit sie auch in Zukunft ihren politischen Auftrag erfüllen können, müssen sie die Menschen wieder für sich gewinnen. In Folge 21 des Y Politik-Podcast diskutieren wir nicht nur die Probleme von Parteien, sondern auch zwei Lösungsvorschläge.


Dieser Artikel bietet nur eine Zusammenfassung. Die vollständigen Argumente hörst du in der Podcast-Folge: hier im Player oder direkt auf Spotify, iTunes, Google Podcast, Deezer und Stitcher.


Vorschlag 1: Von modernen Unternehmen Agilität lernen

Unsere Welt ist eine andere als zur Zeit, als Parteien erfunden wurden. Sie ist schneller, globaler und damit auch komplexer geworden. Rahmenbedingungen können sich innerhalb weniger Wochen oder sogar Tagen verändern. Die Entscheidungsprozesse von Parteien müssen mit dieser Welt umgehen und darauf reagieren.

Gut gelingt dies modernen Unternehmen, die aus Start-Ups entstanden sind. Diese versuchen sich durch agile Strukturen an Veränderungen schnell anzupassen. Auch wenn Parteien eine andere Funktion als Unternehmen, können sie von agilen Prinzipien lernen.

Die Nutzerperspektive und Marktnähe spielt für Unternehmen eine große Rolle. Übertragen auf Parteien sollte das bedeuten, dass diese sich wieder stärker fragen müssen, für wen sie eigentlich Politik machen. Wer sind ihre Wählerinnen und Wähler und welche Bedürfnisse haben diese?

Darüber hinaus steht für Unternehmen das Produkt im Mittelpunkt. Für Parteien sind das die Inhalte. Wieder mehr an den politischen Inhalten zu arbeiten, anstatt sich über z.B. Personal zu streiten, könnte die Bevölkerung wieder näher an die Parteien bringen.

In agilen Prozessen wird iterativ (= in Schleifen und mit Feedback der Zielgruppe) und inkrementell (= ergebnisproduzierend, wenn auch nur Teilergebnisse) vorgegangen.

 

Vorschlag 2: Parteien als Ideengenerator und neue Formen der Personalrekrutierung

Der Aufbau von Parteien ist sehr hierarchisch mit vielen Bundes-, Landes- und regionalen Ebenen. Diese Struktur stammt aus einer Zeit ohne E-Mail, Skype-Konferenzen und Whatsapp. Kommunikation und Macht wird noch über Delegierten gesteuert, die gewählt und auf die nächste Ebene entsandt werden.

Diese Struktur hilft den Parteien in der heutigen Welt nicht dabei, ihre politischen Aufgaben zu erfüllen. Bis es beispielsweise gute Ideen aus Ortsverbänden nach oben schaffen und der Antragskommission auf einem Bundesparteitag vorgelegt werden, dauert bis zu zwei Jahre. Mit den heutigen Möglichkeiten könnten andere Prozesse schneller die guten Ideen finden und nach oben bringen. Ein Ideenlift von der Basis (vergleiche Basisstation von „Disrupt SPD“) oder ein Live-Thesenbarometer vom Parteivorstand wäre leicht umzusetzen. Auch bei der Personalrekrutierung würden einfach Änderungen wie eine Begrenzung der Amtszeit oder Urwahlen eine neue Dynamik in die Parteien bringen.

Zugabe: Das Parteireform-Projekt

Für tiefergehende Ideen zu Parteireform und -innovation empfehlen wir das Parteireform-Projekt von Das Progressive Zentrum*, der Heinrich-Böll-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dieses ergründete die Frage, mit welchen Ansätzen und Maßnahmen politische Parteien in Deutschland strukturelle Reformen wirksam und zukunftsfähig gestalten können. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf gesellschaftlichen Makroentwicklungen (Megatrends) und auf im politischen Alltag und der Diskussion über Parteireform wenig wahrgenommenen Erkenntnissen über wirkungsvolle Veränderung, unter anderem aus den Bereichen der Organisationsentwicklung, der Psychologie wie auch der Neurowissenschaften.

Die Kurzpapiere und ausführliche Studie findet ihr auf der Parteireform-Projektseite.

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Show Notes

  • 00:47

    Das Problem: Die Parteien sind wichtig, aber kaum jemand vertraut ihnen

  • 06:34

    Lösung 1: Parteien müssen mehr wie Unternehmen werden

  • 21:11

    Lösung 2: Ebenen überwinden

  • 35:42

    Zugabe: Das Parteireform-Projekt

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2 comments

  1. Bayerischer Sozialdemokrat sagt:

    Eine paar weitere Vorschläge aus Sicht eines SPD-Mitglieds:
    – Die Parteistrukturen und Abläufe sind sehr kompliziert und werden nur schlecht grafisch aufbereitet und erklärt.
    – Schulungen durch parteinahe Stiftungen müssen auch online als Video verfügbar sein (kostenfrei)
    – Bisher wird beim SPD-Bundesparteitag über die Empfehlung der Antragskommission und nicht über Anträge selbst abgestimmt. Das hat eine weiter Gatekeeperfunktion und gehört abgeschafft.
    – Ein soziales Netzwerk für Parteimitglieder untereinander fehlt

    Gerade bei jungen Leuten wird es immer schwieriger diese an Parteien zu binden. Warum soll ich auch wo mitarbeiten, wo ich Jahre brauche mich zu etablieren und die Parteiorganisation zu verstehen, wenn ich aber 4 Jahre später schon anderswo arbeite oder studiere. Letztendlich werden sich alle Reformideen nur schleppend umsetzten lassen, weil sich bei Aufstellungen zu Wahlen die Digitalexpertin Ende 20 niemals gegen den 63 Jahre alten und langjährigen Abgeordneten durchsetzen wird. Aufgestellt werden eben die Leute die ein großes Netzwerk in der Partei haben, bei der Bevölkerung bekannt sind oder aus der noch nicht zu genüge vertretenen Region kommen. Und dann braucht man sich nicht wundern, wenn die Partei teilweise altbackene Postionen vertritt oder Parteireformen nicht zünden.

  2. Jan sagt:

    Die Struktur von Parteien ist kein Selbstzweck. Wir haben auf Orts- und Kreisebene Wahlen, wir haben auf Landesebene Wahlen. Wer soll sich um Inhalte dort kümmern, wenn nicht entsprechende Gliederungen?

    Die Schwierigkeit, Anträge auf Landes–oder Bundesparteitagen einzubringen scheint mir hier massiv übertrieben zu werden. Okay, vielleicht ist das in den sogenannten Volksparteien wirklich so. Aus FDP-Perspektive kann ich berichten, dass man auch als kleines Basismitglied viel bewegen kann und inhaltlich gute Ideen sich durchsetzen können. Wie immer in einer Demokratie muss man sich dafür ein paar Mitstreiter suchen. Aber das macht die Sache nicht weniger, sondern mehr demokratisch.

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