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Macht uns Selbstoptimierung unpolitisch?

April 22, 2019

Fast alle sind heutzutage gestresst und jeder sucht seine individuellen Lösungen, um damit umzugehen. Achtsamkeitsübungen, Meditation, Yoga, Tagebuch schreiben gehören zum aktuell trendigem Zeitgeist. Führt diese Selbstzentriertheit dazu, dass wir zwar unsere privaten Problem in den Griff bekommen, aber die gesellschaftlichen Strukturen als Ursache sozialer Probleme nicht mehr angehen? Passen wir uns lieber an die bestehende Welt an, statt sie zu gestalten? In Folge 28 üben wir Kritik an der Selbstoptimierung in zwei Lebensbereichen: Umwelt und Arbeit.


Dieser Artikel bietet nur eine Zusammenfassung. Die vollständigen Argumente hörst du in der Podcast-Folge: hier im Player oder direkt auf Spotify, iTunes, Google Podcast, Deezer und Stitcher.


Umwelt: Luftreiniger kaufen oder mit Fridays for Future demonstrieren?

Menschen leiden unter schlechten Umweltbedingungen wie der Luftqualität in Großstädten, dem Lärm an vielbefahrenen Straßen und fehlenden Erholungsmöglichkeiten in der Stadt. Mit dem notwendigen Kleingeld kann man seine private Umwelt optimieren: Für bessere Luft zu Hause gibt es beispielsweise Luftreiniger. Um dem Lärm zu entkommen, muss man heutzutage nicht mehr unbedingt auf’s Land fahren, sondern kann mit Ohropax schlafen oder mit Noise Cancelling-Kopfhörern durch die Stadt gehen. Und wenn man doch einmal auf das Land flieht, dann muss man man auf seinen Matcha-Cheesecake und die Holunder-Limo nicht verzichten, so wie in Gerswalde, dem Hipster-Dorf in der Uckermark.

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Bei der ganzen Konzentration darauf, das Leben für uns selbst etwas schöner und gesünder zu gestalten, sollten wir aber nicht vergessen, dass Luft, Lärm und Stadtstress Probleme sind, unter denen die ganze Gesellschaft leidet. Gerade auf kommunaler Ebene kann man sich dafür einsetzen, dass die Grünflächen in der Stadt besser gepflegt werden oder öffentliche Plätze umstrukturiert werden, um Möglichkeiten zu schaffen, sich in der Stadt zu erholen. An viel bewohnten Straßen kann man sich für eine Tempo 30-Zone einsetzen.

Die Bewegung “Fridays for Future” zeigt außerdem, dass man als organisierte Gruppe auch politisch die großen, globalen Probleme bewegen kann (siehe Folge 26 von Y Politik). Wieso war nicht unsere Generation Y diejenige, die für eine bessere Welt die Schule geschwänzt hat? Wieso sind es vor allem die heutigen Schülerinnen und Schüler, die auf die Straße gehen, weil es ihnen nicht mehr reicht, bei sich selbst anzufangen und lediglich das eigene Verhalten zu ändern? Gibt es einen Mentalitätswechsel? Hat der Fokus auf die Selbstoptimierung unsere Generation unpolitisch gemacht?

Arbeit: Yoga zum Entspannen oder Engagement im Betriebsrat?

Erwerbsarbeit ist für die meisten Menschen die Grundlage, um ihr Leben zu finanzieren, doch die Arbeitsbedingungen sind nicht immer gut. Zu viel Arbeit für zu wenig Angestellte, prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder mehrere Jobs auf einmal begünstigen das Risiko, zu erkranken. Die psychischen Krankheiten in unserer Gesellschaft nehmen zu. Nun kann jede und jeder sich einen persönlichen Ausgleich zur Arbeit suchen, z.B. Yoga zum Entspannen oder Handarbeit für den Stressabbau. Damit kann ich möglicherweise mir selbst helfen, aber an den schlechten Arbeitsbedingungen für die gesamte Belegschaft würde sich nichts ändern.

Warum meditiert man? Um danach noch härter arbeiten zu können? #Selbstoptimierung kann unpolitisch machen. Klick um zu Tweeten

Beispielsweise ist ein Stressfaktor für manche ist die Arbeitszeit. Nicht jeder ist ein Frühaufsteher und morgens am leistungsfähigsten, insbesondere Kinder und Jugendliche brauchen ausreichend Schlaf. Ein sehr früher Arbeits- oder Schulbeginn um 7:45 Uhr kann ungesund sein. Doch anstatt Arbeits- und Schulzeiten grundlegend zu hinterfragen und sich für eine Veränderung zu engagiere, greifen die meisten zu Mitteln der Selbstoptimierung: Schlaff-Apps zum Tracken und Verbessern des eigenen Schlafrhythmus, Tageslichtwecker für sanftes Aufwachen, Morgenroutinen mit Joggen und Meditation sowie Tageslichtlampen auf dem Schreibtisch und kleine Aktivierungsübungen, um die Konzentration nicht vollständig zu verlieren. Wieso ist das unsere erste Reaktion? Wieso haben wir nicht schon längst einen 6-Stunden-Regelarbeitstag eingeführt mit flexibleren Beginnzeiten? Die meisten von uns würden wohl das Gleiche schaffen in kürzerer Zeit mit mehr Schlaf und einem gesünderen Leben.

Fazit: Selbstoptimierung UND Politisches Engagement

Das Beste wäre, das eine zu machen, ohne das andere zu lassen: in seinem privaten Leben darauf zu achten, umweltfreundlich zu leben und sich gleichzeitig auch politisch für eine lebenswerte Umwelt für alle einzusetzen. Und auch wenn wir unseren persönlichen Arbeitsalltag so angenehm wie möglich gestalten, sollten wir uns für bessere Arbeitsbedingungen für alle engagieren.

In jedem Fall sollten wir Fehler nicht immer nur alleine angehen, sondern begreifen, dass diese oftmals im System begründet sind.

Zugabe: Gadgets zur Selbstoptimierung

Es ist schon mehrfach vorgekommen, dass wir erst ein Phänomen kritisiert haben und dann Praxistipps genau dazu gegeben haben. So auch in Folge 28 😉

Anbei die drei Gadget-Tipps zur Selbstoptimierung aus der Folge sowie die versprochenen zwei Bonus-Empfehlungen:

  1. Runterkommen und die eigenen Gedanken sortieren mit einem Tagebuch, z.B. “Ein guter Tag” von “Ein guter Verlag” für ca. 25 Euro.
  2. Mehr Ruhe im Büro mit Noise Cancelling-Kopfhörern, z.B. die Sony WH-1000XM2 für knapp 300 Euro
  3. Fitter aufwachen mit einem Tageslichtwecker, z.B. der Philips HF3520/01 für ca. 90 Euro.

Bonus-Tipps:

  1. Achtsamkeitstraining mit der Meditation-App “Headspace” für ca. 6 Euro/Monat – seit Kurzem auch auf Deutsch.
  2. Licht-Power in dunklen Monaten, z.B. durch die Philips HF3419/02 EnergyUp für ab 160 Euro (Angebote abwarten!).

[Keine Werbung. Die Produkt-Tipps basieren auf eigenen Erfahrungen. Vincent hat sich alle Produkte in den letzten Jahren selbst gekauft.]

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